Kann jemand eine rassistische Handlung begehen, obwohl er kein Rassist ist? So müsste die Frage lauten, betrachtet man rückblickend den Trubel um ein Wahlplakat der Grünen in Kaarst, das den nackten Po einer schwarzen Frau im Griff von zwei weißen Frauenhänden zeigte.
Ist das Rassismus und Sexismus? Wie das Feedback zum Plakat zeigt,wird es als rassistisch und sexistisch wahrgenommen. Dass es ausgerechnet ein Plakat der Grünen ist, denen eigentlich keiner so etwas zugetraut hätte, macht die Betroffenen umso bestürzter.
In meinen Augen muss man hier mehrere Punkte unterscheiden:
- Ob eine Äußerung rassistisch ist oder nicht, entscheiden die Betroffenen, nicht diejenigen, die die Äußerung getätigt haben. Schließlich können die Empfänger der Botschaft nicht wissen, was der Sender eigentlich gemeint hat. Sie können nur die Wirkung der Botschaft überprüfen. Ein Witz ist z. B. auch nur dann witzig, wenn das Publikum lacht und nicht, weil der Erzähler meint, der Witz sei witzig.
- Es ist dabei völlig unerheblich, ob der Rassismus oder Sexismus beabsichtigt war oder nicht. Wenn ich eine Vase umstoße und sie dabei zerbricht, dann ist die Vase zerbrochen, ob ich sie nun mit Absicht umgestoßen habe oder nicht.
- Wenn jemand eine rassistische oder sexistische Äußerung getätigt hat, heißt das nicht, dass diese Person automatisch auch ein Rassist oder Sexist sein muss. Tatsächlich sind verbale Unfälle an der Tagesordnung, weil wir in der Regel nicht in der Haut des anderen stecken und daher gar nicht wissen (können), was der andere denkt oder fühlt (haben die Grünen in Kaarst einmal potenziell Betroffene gefragt, was sie von dem Plakat halten?). Wenn eine Handlung oder Äußerung aber einmal als rassistisch und sexistisch beurteilt wird, ist es falsch zu versuchen, die Handlung oder Äußerung zu relativeren. Damit schiebt man die Verantwortung für den erlebten Rassismus und Sexismus den Betroffenen zu, so als sei das Publikum dafür verantwortlich, wenn es einen Witz nicht versteht, und nicht der Witzeerzähler.
- Dieser Unfall mit dem Plakat ist in meinen Augen kein spezifisch deutsches Problem. Unwissenheit, mangelndes Einfühlungsvermögen und mangelnde interkulturelle Kompetenzen sind menschliche Probleme und Defizite, die sowohl bei Deutschen und Nicht-Deutschen oder Männern und Frauen anzutreffen sind.
- Selbst das Bestreben, sich der Problematik zu entziehen, scheint einfach nur menschlich zu sein. Wie sonst könnte eine solche Aussage der Grünen zustande kommen?
Weder die NRW-Grünen noch die Kaarster Grünen denken oder handeln rassistisch oder sexistisch, sondern im Gegenteil: Die Gleichberechtigung von Frauen und Männern, die Gleichstellung und Integration von Menschen unterschiedlicher Herkunft gehören zum Grundkonsens und alltäglichen Handeln unserer Partei.
Mitteilung der Grünen in Kaarst vom 10.08.09:
„Grünes Plakat sorgt für Aufregung“
Sind Migranten zu empfindlich? Vielleicht. Sind Deutsche rassistisch? Nicht viel mehr oder weniger als Nicht-Deutsche auch. Bitter stößt in diesem Fall nur auf, dass die Kaarster Grünen offenbar gar nicht sehen, wo das Problem ist. Denn wenn selbst diejenigen, für die „die Gleichberechtigung von Frauen und Männern, die Gleichstellung und Integration von Menschen unterschiedlicher Herkunft […] zum Grundkonsens und alltäglichen Handeln“ gehören, nicht erkennen, ob und wann ihr Handeln rassistisch und sexistisch wirkt, was sollen wir dann von anderen erwarten, für die all das nicht zum Grundkonsens gehört?
Fazit: Nicht das Plakat ist das eigentliche Problem, sondern, dass offenbar (denn so wirkt die Aussage der Grünen auf mich) aus dem Feedback nichts gelernt wurde. Kann jemand eine rassistische Handlung begehen, obwohl er kein Rassist ist? Ja, natürlich kann man – unbewusst oder bewusst – eine rassistische Handlung begehen kann, auch wenn man eigentlich kein Rassist ist.
Ich persönlich lerne wieder mal daraus, dass Deutsche und Migranten mehr miteinander reden und einander zuhören müssen, um besser zu verstehen, was und wie der andere denkt, fühlt und lebt. Wir dürfen unser Tun nicht wie selbstverständlich für fehlerfrei halten, nur weil wir es nicht böse gemeint haben.
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